Hans darf sich nicht hinsetzen und warten, sonst wird er zugedeckt von „hexagonaler Regelmäßigkeit“ (S.729, 26f.; 731, 26; 750, 8f.). Die Galgenmännlein des Märchens klingen nach im „hexagonalen Unwesen“ (S.750, 8f.) des Schnees, denn bekanntlich haben kopflose Männlein sechs Ecken. Hans hat "Mut hier oben" (S. 718, 23), der Märchenhans fürchtet sich nicht vor dem Galgenberg. Der Heimweg ist "ein Stück Arbeit" für Hans (S. 727, 9f.) - wie für den Märchenhans.
Hans träumt (S. 738, 19 - 749, 10): Die Traumvisionen nehmen den Platz der märchenhaften Attacke der Galgenmännlein ein.
Von diesen Feststellungen her ist es durchaus berechtigt, die „Keimzelle“ des Romans in dem bekannten estnischen Märchen „Die Galgenmännlein“ zu sehen.
Es ist nicht nur der Name Hans mit seinem Brotsack, der vom „Galgenmännlein“ aus eine Verbindung mit Hans Castorp aus Hamburg (Lübeck, Dorfnamen) eingegangen ist und sich damit eine bürgerliche Biographie gesichert hat, sondern auch andere Personen haben im „Galgenmännlein“ ihren Ausgangspunkt:
Der „Brotsack“ als militärischer Ausrüstungsgegenstand führt zum Entstehen der Figur des „Vetters“ Joachim Ziemßen und trägt den Übergang vom zivilistischen zum militärischen Hans Castorp.
Von der Figur des (baltischen) Predigers im Märchen, der als Arbeitgeber auftritt, kann die Anregung (über den baltischen Pastor Bunge) zu Settembrini ausgegangen sein: Settembrini spricht über Arbeit (S. 92, 23 - 93, 6), schwärmt fürs Arbeiten (S. 101, 1f.) und "es schmeckte nach Sonntagspredigt"(S. 93, 9; 447, 10). In seinem Gefolge entwickelt sich dann die klerikale Figur Naphta. Auch Castorp fragt sich ja, ob er „ nicht Pastor hätte werden sollen - in gewisser Weise hätte das, glaube ich, nicht schlecht für mich gepaßt…“ (S.168, 23ff.; 571, 6 ff.). Die Fahrt zur Kindstaufe im Märchen bringt die Taufschale in den Blick.
Andere Namen hängen mit der Wort - und Sachfamilie „Brot“ zusammen (Mylendonk, Peeperkorn).
Weitere Anknüpfungspunkte sollen hier nur angedeutet werden: Glockenturm (Uhrturm S. 75, 19; Zeitproblematik), Rollen über die Kirchturmstreppen nach unten (Bobschlitten S. 20, 12 - 19), Märchenzahl 7 (5 +2 Galgenmännlein).
Auch das schönste Wort des „Zauberbergs“ ist im „Galgenmännlein“ schon angelegt: Dienst und Liegen, auf deren Ausgleich der Märchenhans so besteht, findet eine harmonische Erfüllung im Begriff „ Liegedienst “ (S. 382, 8; 405, 19), der im Sanatorium „Berghof“ sinnvollsten Beschäftigung, wie man mit der Zeit umgeht.
Anmerkungen:
1. Die Zahlen in Klammern (Seite, Zeilenangabe) verweisen auf Thomas Manns Der Zauberberg, Bd. 5/1 (Textband) -2 (Kommentarband) - M. Neumann - der Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe, S.Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2002.
2. In: Thomas Mann, Gesammelte Werke in Einzelbänden. Der Zauberberg. Frankfurter Ausgabe, S.Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1981, S.1011.
3. Maar, Michael: Geister und Kunst. Neuigkeiten aus dem Zauberberg. München/Wien 1995, S. 253, 19-27 mit Anmerkung 22 (S. 337),,Vgl. Manns Ansprache in Kopenhagen:“[…] nicht zu vergessen den teuren Namen Ihres Hans Christian Andersen, zu dem uns Deutschen Liebe ins Herz gepflanzt wird, schon wenn wir Kinder sind,“(Essay III, 483)“.
4. Z.B. Hans Castorp (S. 686, 23-26) ,, …daß innerhalb des Gegensatzes von Körper und Geist der Körper zweifellos das böse, teuflische Prinzip...verkörperte, haha, also verkörperte, insofern als der Körper natürlich Natur war-natürlich Natur, das war auch nicht schlecht!-“ Vgl. auch tous les deux (S. 66, 17f.)
7. Brief Katja Manns, zitiert im Kommentarband S. 64f.
8. Das Wort wird verwendet bei dem Jungen mit dem Monokel („kapitaler Esel“ (S.171,3). Mögliche Bezeichnung für Peeperkorn: S. 869, 24. Brauereibesitzer Magnus hat einen Schnurrbart,"der einem Heubündel ähnelt" (S. 148, 21). Vgl. auch "mulus" S. 499, 12. 9. Wahrig S. 360 ,s.v. „ Donkey “: „häufig auf Handelsschiffen eingebauter, kleiner Zusatzkessel, mit dessen Hilfe bei Bedarf die Lade-u. Entladeeinrichtungen (Kräne etc.) des Schiffes betrieben werden können (engl.,eigtl.“Esel“)“. Maritimer Verweis auf Vornamen „Adriatica“ und Kastorps „ocean streamships“?
10. Weitere Stellen: zusammenfassende Charakteristik im Abschnitt „Hippe“ (S.186, 3 - 12); Selbsteinschätzung im Vergleich zu Joachim Ziemßen (S.272, 26 - 29); kein Neubeginn aus eigener Kraft (S. 1079, 26).
11. In: Friedrich Reinhold Kreutzwald, Estnische Märchen. Aus dem Estnischen übertragen von F.Löwe, bearbeitet von Aivo Kaidja. Tallinn. Verlag Perioodika 1981 , S. 152 – 160. Die Märchensammlung Kreutzwalds in der Übersetzung von Löwe erschien 1869 (1.Teil) und1881 (2.Teil). Das oben genannte Buch kann antiquarisch beschafft werden , z.B. über www.daistesja.de