Forschungsreisende im „Zauberberg“ : Knud Rasmussen, Sven Hedin
Im Gespräch mit Joachim kommt Castorp auf die Vorzüge des Rauchens zu sprechen und auf die Polarforscher: „Selbst die Polarforscher statten sich reichlich mit Rauchvorrat aus für ihre Strapazen, und das hat mich immer sympathisch berührt, wenn ich es las“ (S. 77, 14 ff.; vgl. auch 1074, 8 ff.).(1) Entsprechend hat Castorp auch bei seiner eigenen „Expedition“ Rauchwaren (Zigaretten) dabei (S. 722, 4 f.). Vom „Polarkreis“ erzählt der deutsch – russische Versicherungsbeamte Anton Karlowitsch Ferge, der dort seinen Geschäften nachgeht (S. 467, 3 f.; 642, 31 – 643, 2).
Man kann nun die Frage stellen, ob sich Castorps Gedanke an Polarforscher im Roman konkretisiert. Jedem Leser wird sofort der Name „Rasmussen“ ins Auge fallen, der im „Zauberberg“ wiederholt auftaucht. Es ist „ein aschblonder junger Mann, der auf den Namen Rasmussen hörte und seine Hände nach Art von Flossen aus schlaffen Gelenken in Brusthöhe hängen ließ,… (S. 170, 21 – 24). Rasmussen ist Student (S. 334, 30; weitere Stellen: 171, 26 – 31; 335, 9 – 12; 362, 12; 494, 21 ff.; 510, 5; 544, 12 ff.). Ebenfalls Student (studere: „forschen“!) ist der Sohn von Hofrat Behrens namens „Knut“ (S. 203, 26 f.; 434, 26; 435, 1 – 6; 439, 2). In seiner Gangart „segelte“Vater Behrens, “ mit den Armen schlenkernd, die Handflächen ganz nach hinten gekehrt,…“ (S. 75, 7ff.; vgl. auch 99, 16; 163, 7; 172, 9; 266, 23 ff.: „Rauchfahne rückwärts“). Diese „maritime“ Ausmalung könnte Vater Behrens seiner Namensgleichheit mit dem Seefahrer (Carl Friedrich) Behrens (1701 –1747) (2) verdanken oder überhaupt der Hauptperson des „Zauberbergs“: Castorp ist von Hamburg (vgl. auch das Thema „Elbregulierung“: S. 28, 11 – 20), ist frischgebackener Schiffsbauingenieur und hat das Buch „Ocean steamships“ bei sich.
Auch über Vater Behrens wird also die Verbindung zwischen dem Vornamen seines Sohnes Knut und Rasmussen nahe gelegt, die uns zu dem Namen des dänischen Polarforschers Knud (auch Knut) Rasmussen (1879 – 1933) führt.
Erhärtet wird dieses Ergebnis, wenn es noch einen weiteren Namen eines Forschungsreisenden im „Zauberberg“ gibt.
Staatsanwalt Paravant aus Dortmund erscheint häufig im „Zauberberg“(S. 117, 19; 141, 26 f.;169, 17 ff.; 192, 22 – 25; 196, 10 ff.; 196, 18;359, 26 f.; 366, 19 – 26;502, 28 – 503, 1; 510, 5 f.; 551, 22 ff.; 628, 14 ff.; 827, 21 ff.; 847, 28; 848, 28 f.; 849, 13 – 16; 861, 12 – 23; 863, 25 ff.; 953, 23 – 956, 26; 994, 29 – 995, 7; 1014, 21 – 28; 1017, 1; 1025, 11). Sein Name „Paravant“ („Stellwand“, Paravent) verweist in den japanischen und chinesischen Raum. Am Fasching gleicht der Staatsanwalt einem Chinesen: „…und Staatsanwalt Paravant hatte mit weiterer Travestierung den Anfang gemacht, indem er einen Damenkimono und einen falschen, laut vielseitigem Zuruf, der Generalkonsulin Wurmbrandt gehörigen Zopf angelegt, auch seinen Schnurrbart mit einem Brenneisen schräg nach unten gezogen hatte und so wirklich aufs Haar einem Chinesen glich“ (S. 491, 5 – 10; 510, 5 f.). Dr. Ting – Fu ist namentlich ein Chinese und wird als solcher bezeichnet (S. 1005, 10 f.; weitere Stellen: 847, 19; 849, 9 – 12; 863, 24; 1000, 28; 1003, 26 f.; 1005, 4 – 13; 1009, 21 ff.; 1016, 30; 1022, 16; 1025, 9).
Eine „chinesische“ Färbung zeigt Dr. Krokowski : „In Dr. Krokowskis Barte zeigten sich beständig mit jenem kernigen und zum Vertrauen auffordernden Ausdruck seine gelben Zähne, während er sein „Ich gdieße Sie!“ wiederholte,…“ (Gelbe Zähne: S. 30, 31;278, 32; 290, 29 f.; 527, 8 f.; 553, 23; r -Laut: S.191, 31; 290, 33 – 291, 3; 551, 5 ff.; 553, 9 ff.; 553, 27 f.; 555, 11 f.; 556, 1 f.; 1017, 16 ff.; 1019, 31 f.;1020, 5; 1023, 15; 1023, 18 f.: „Menschenbduder“). Bekanntlich haben Chinesen Mühe unser „r“ auszusprechen und der Hinweis auf Krokowskis „gelbe“ Zähne soll dies noch bildhaft machen. Auch der Name Krokowski könnte auf „safrangelb“ hindeuten (altgriechisch „krókos“: Safran).
All das wirft ein Licht auf die Erklärung von Krokowskis Vornamen „Edhin“ (S. 990, 24). Dahinter verbirgt sich der Name desschwedischen Forschungsreisenden (Sven) Hedin ( 1865 – 1952), der mit seinen Expeditionen nach Zentralasien schon um die Jahrhundertwende Aufsehen erregte.
Anmerkungen:
1. Die Zahlen in Klammern (Seite, Zeilenangabe) verweisen auf „Thomas Manns Der Zauberberg, Bd. 5/1 (Textband) – 2 (Kommentarband) – M. Neumann - der Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2002“. Hervorhebungen durch Fettdruck vom Autor.
2. Details über die genannten Forschungsreisenden etwa im Internet bei www.wikipedia.de