Der „Tod“, der ja im „Zauberberg“ überwiegend eine humoristische und ironische Behandlung erfährt (z.B. Behrens: Z 163, 25 – 164, 2), wird schon in den „Epigonen“ salopp in Form des „Scheintodes“ angegangen. Hinzuweisen ist hier auf die Anekdote, die der Arzt über die Liebe zwischen Ida und Fabian erzählt (E 59, 22 – 66, 36). Die Einrichtung im Leichenhaus , welche „zur Rettung der Scheintoten“ dient, ist Schauplatz eines makabren Unternehmens: Ida wird Fabians Nervenzusammenbruch und Aufenthalt in der Sterbekammer gemeldet und sie zeigt ihre Liebe, nachdem sie selbst durch Krankheit die Liebe Fabians getestet hat.
Die Diskussion um die „Auflösung des Seelischen“ (E 176, 25) wird in den „Epigonen“ unter dem Aspekt des Weiterlebens geführt (E 176, 14 – 178, 23; anders E 425, 1 f.) Im „Zauberberg“ steht die Emanzipation des Körpers im Vordergrund: „ Eine Seele ohne Körper ist so unmenschlich und entsetzlich, wie ein Körper ohne Seele, und übrigens ist das erstere die seltene Ausnahme und das zweite die Regel. In der Regel ist es der Körper, der überwuchert, der alle Wichtigkeit, alles Leben an sich reißt und sich aufs widerwärtigste emanzipiert. Ein Mensch, der als Kranker lebt, ist nur Körper, das ist das Widermenschliche und Erniedrigende, - er ist in den meisten Fällen nichts Besseres als ein Kadaver…“ (Settembrini: Z 153, 30 – 154, 4; über 154, 7 f. Verweis auf 111,5 – 112, 6). Krokowski löst die Seele auf durch körperorientierte „Seelenzergliederung“ (Z 140, 30; 195, 29 – 196, 15, 198, 22).
Der epileptische Anfall des Lehrers Popow im „Zauberberg“ (Z 453, 19 – 455, 5; 828, 16ff.) ist eine „Illustration des Vortrags“ von Krokowski (Z 454, 25 f). Popow hat eine Vorgängerin in den „Epigonen“. Dort ist es die Kammerjungfer der Herzogin, die mit ihrem Anfall den Weg für Hermann freimacht, als Friseur bei der Herzogin aufzutreten (E 15, 11 – 36).
Angesichts des „im gefälligen Stil erbaute Leichenhaus“ bemerkt der Arzt in den „Epigonen“: „Es ist kein W under, daß die Menschen jetzt mit dem Leben unzufrieden sind, man macht die Sterbehäuser und Grabstätten zu anlockend“ (E 64, 9 – 13). Im „Zauberberg“ wird das Motiv umgedreht. Dort war geplant, an die „Halle des Todes“ eine „Halle des Lebens“ anzubauen, „ um den Sinn des Fortlebenden von dem Erlebnis des Todes, von stumpfer Trauer und tatenloser Klage auf die Güter des Lebens zu lenken…“ (Z 690, 6, 12; vgl. auch 748, 27 f. ).
In den „Epigonen“ wird Hermann „nach kurzem Verhör“ wegen seiner Wartburger Umtriebe von seinen „Rhadamanthen“ entlassen (E 23, 14 ff.). Bekanntlich wird im „Zauberberg“ Behrens als „Radamanth“ bezeichnet (Z 90, 10; 90, 15; 91, 19 f.; 94, 28; 97, 19; 296, 31; 297, 1; 950, 27; 1072, 8).
Hermann muss wegen der Einladung zu der Herzogsfamilie seinen Überrock in einen Frack umarbeiten lassen. Er geht zum Schneider (E 19, 1 – 20, 23). Bei ihrem Gang zu Naphtas Wohnung kommen Castorp und Ziemßen beim Damenschneider Lukacek vorbei. Auch er bekommt „eilige Arbeit“ (Z 591, 10; E 19, 25). Statt „mit gekreuzten Beinen auf dem Tisch“ (E 19, 10) sitzt Lukacek „mit untergeschlagenen Beinen auf einem Tisch“ (Z 590, 32 f.). Während Hermanns Schneider „zugleich sein eigener Junge und Geselle“ ist (E 19, 9 f.), hat Lukacek ein „Dienerchen“ (Z 590, 26; weitere Erwähnung von Lukacek: Z 507, 27 f.; 562, 30 f.; 567, 17; 612, 1 f.; 617, 20). Mit dieser, durch ein Gespräch ausführlicheren Einführung eines Schneiders in beiden Romanen hat es nicht sein Bewenden. In den „Epigonen“ hat der „verlarvte Ritter“ des Turniers „eine schneiderhafte Gestalt“ (E 214, 8), verfällt in „Schneidertrab“ (E 214, 14), und wenn er über dem Pferd zum „Schneider“ wird, imitiert das Pferd eine Mähre (E 214, 17 f.). Castorp denkt bei der Untersuchung Joachims an Schneider: Einer nimmt Maß, der andere schreibt auf (Z 272, 1 – 13).Eine Mitpatientin, die Castorp zuerst als „Nähterin oder Hausschneiderin“ eingestuft hat, ist keine (Z 69, 33; 113, 6).
In seiner Bekehrungsgeschichte berichtet der Hausgeistliche in den „Epigonen“ von einem Kruzifix, das über dem Hochaltar der Klosterkirche hing: „ Schon oft hatte ich dieses Bild gleichgültig betrachtet, in meiner damaligen Erregung machte es aber einen äußerst widerwärtigen Eindruck auf mich. In der Tat konnte man sich auch nichts Häßlicheres denken. Groß, plump, von Holz geschnitzt, war es ein getreuer Abdruck der krassesten Vorstellung. In den Zügen des Hauptes die abscheulichste Fratze des tierischen Schmerzes, alles dick mit Farbe bestrichen, das Blut in ekelhaften roten Streifen herabrinnend, und mit diesem Jammer in Widerspruch geschmacklose Zieraten auf dem Kreuze in verblichnem Gold und Schmelzwerk eingeschlagen“ (E 120, 28 – 35). Das schöne Bild erscheint ihm dann, als die obere Hälfte wegbricht (E 121, 5 – 14). Im „Zauberberg“ ( Wohnung Naphta) wird daraus „etwas innig Schreckhaftes, eine Pieta, einfältig und wirkungsvoll bis zum Grotesken: die Gottesmutter in der Haube, mit zusammengezogenen Brauen und jammernd schief geöffnetem Munde, den Schmerzensmann auf ihrem Schoß, eine im Größenverhältnis primitiv verfehlte Figur mit kraß herausgearbeiteter Anatomie, die jedoch von Unwissenheit zeugte, das hängende Haupt von Dornen starrend, Gesicht und Glieder mit Blut befleckt und berieselt, dicke Trauben geronnenen Blutes an der Seitenwunde und den Nägelmalen der Hände und Füße“ (Z 592, 18 – 27). Die anschließende „Besprechung“ des Kunstwerks macht es nicht schöner.
Eine ausführliche Diskussion über pädagogische Fragen findet in den "Epigonen" zwischen den Typen Philologe (Rektor) und Realschulmann (Edukationsrat) statt. Zum Humanismus und zum humanistischen Gymnasium bekennt sich Settembrini (Z 100, 6 - 18; 499, 21 - 26). Er ist ein "himanistischer Pädagog" (Z 307, 13 f.) wie der Rektor (E 146, 10 - 18). Selbst Castorp als "Realist, Techniker" (Z 394, 23) lässt sich positiv zu den alten Sprachen vernehmen (Z 394, 18 - 395, 7). Auch Naphta (Dozent: Z 567, 9 f.; 567, 20) ist interessiert: " Ich schätze den Austausch mit der Jugend, bin auch vielleicht nicht ohne alle pädagogische Überlieferung...Wenn unser Meister vom Stuhl" (er deutete auf Settembrini)"alle pädagogische Aufgelegthei und Berufung dem bürgerlichen Humanismus vorbehalten will, so muß man ihm widersprechen " (Z 581, 6 - 11).Sein Erziehungsprogramm (Z 603, 27 - 34; "Ihre (=der Jugend) tiefste Lust ist der Gehorsam", 33 f.) geht allerdings eher auf die "Weisheit weiblicher Erziehungskunst" der Edukationsrätin zurück: Gehorsam von fünf Uhr morgens bis neun Uhr abends (E 138, 8 - 11). Als "Konfusionsrat" bezeichnet Joachim einmal Castorp (Z 262, 9 f.) - möglicherweise eine Fortentwicklung des Edukationsrats. Auch das Verhältnis der beiden Schulmänner zueinander weist den Weg zu Naphta und Settembrini: "Beide hatten aber beschlossen, fest zu beharren bei dem, was sie für wahr erkannten, beide fühlten sonach die Notwendigkeit, zu stets bereiter Polemik gerüstet zu sein. Das Bedürfnis, sich in dieser zu üben, hatte die Gegner zueinander geführt...(E 141, 12 ff.; Z 614, 24 - 615, 5). Fast überflüssig ist es, auf die Latinismen und Dichter der Antike hinzuweisen, die in beiden Romanen auftauchen.