Bündner vereinigen mit dem „nordischen Phlegma die südliche Verschlagenheit“ (CFM I 513, 3 f.). Bei den „phlegmatischen Bündner(n)“ (CFM I 511,14) ist „der Weg aus dem erschreckten Kopfe in die derbe Faust ein kurzer“ (CFM I 511,26 f.). Als „Phlegma“ bezeichnet Settembrini Castorp, der die Dinge beruflich laufen lässt: „ >>Phlegma auf der ganzen Linie. Man ist überhaupt phlegmatisch bei Ihnen zu Lande, nicht wahr? Aber auch energisch! << >>O ja, energisch auch, doch, sehr energisch<<, sagte Hans Castorp. Er prüfte die heimatliche Lebensstimmung aus der Entfernung und fand, daß sein Unterredner sie richtig kennzeichne. >>Phlegmatisch und energisch, so sind sie wohl. << “(Zb 300, 8 – 13). Chauchat ärgert sich über Castorps „Phlegma“ (Zb 906, 9 f.) Sie benützt den Begriff „Verschlagenheit“: „Es scheint, du bist unverbesserlich. Ich werde dir sagen: Du bist ein verschlagener Junge. Ich weiß nicht, ob du Geist hast; aber unbedingt besitzest du Verschlagenheit“ (Zb 906, 17 – 19).
„Sie (sc. Lucretia) lebte in einem traumartigen Glücke unter dem Zauber ihrer Berge und ihrer Jugendliebe, die sie furchtsam hütete mit einem an die grausame Gegenwart erinnernden Worte zu zerstören“ (CFM I 475, 5 – 8). Es ist vor allem das Stichwort „grausam“, das an Castorps Ausführungen über die „Leute da unten im Tieflande“ erinnert (Zb 303,9 f.6.29). Natürlich liegt es nahe, bei „Zauber ihrer Berge“ an „Zauberberg“ und bei „Jugendliebe“ an „Pribislav Hippe/Clawdia Chauchat“ zu denken.
In Davos hat Jürg Jenatsch seine Güter (CFM I 561, 11). Aus seiner Kriegsbeute baut er sich in Davos ein Haus und erwirbt „ringsum schöne Alpen“(CFM I 489, 12 ff.). Dort findet ein Strafgericht der Franzosen statt (CFM I 425, 24 27).Mit Lucretia will Jenatsch nach Davos reisen (CFM I 570, 38 f.).
In der Novelle „Die Versuchung des Pescara“ betrachtet der Feldherr Pescara im Frauenkloster Heiligenwunden das Altarbild. Sein besonderes Interesse gilt dem „Kriegsknecht, der seine Lanze in den heiligen Leib (sc. Cristi) stieß. Dieser war offenbar ein Schweizer; der Maler mußte die Tracht und Haltung eines solchen mit besonderer Genauigkeit studiert oder frisch aus dem Leben gegriffen haben. Der Mann stand mit gespreizten Beinen, von denen das linke gelb, das rechte schwarz behost war … Kesselhaube, Harnischkragen, Brustpanzer, Arm – und Schenkelschienen, rote Strümpfe, breite Schuhe, nichts fehlte“ (CFM 777, 5 – 13). Er trug „Ohrringe in Form einer Milchkelle“ (CFM 777, 18).
Ein Vergleich mit der Erscheinung Joachims legt sich nahe (Zb 1032, 11 – 1033, 11):
Joachim sitzt mit übergeschlagenen Beinen. Er trägt keinen richtigen Waffenrock: „Nichts Blankes noch Farbiges war daran zu bemerken, es hatte einen Litewkakragen“. Die Füße wirkengroß, die Beine „eng eingewickelt“. „Und wie war das mit der Kopfbedeckung? Sie sah aus, als hätte Joachim sich ein Feldgeschirr, einen Kochtopf aufs Haupt gestülpt und ihn durch Sturmband unter dem Kinn befestigt. Doch wirkte das altertümlich und landsknechthaft und kriegerisch kleidsam, merkwürdigerweise“ (Zb 1033, 7 – 11). Die „abstehenden Ohren waren erkennbar auch unter der Kopfbedeckung, der sonderbaren Kopfbedeckung, auf die man sich nicht verstand“ (Zb 1032, 28 – 31). Hier könnte die Erklärung zu finden sein für die merkwürdige Kopfbedeckung und die abstehenden Ohren Joachims. (12)
Der Kanzler Morone des Herzogs ist ein Mann, der sich mit der „Schellenkappe“ aus Schwierigkeiten bringt (CFM 708, 39 ff.).
Der Herzog wohnt in Mailand in einer Anlage, „welche der letzte Visconte gebaut und mit seinem gespenstischen Treiben erfüllt hatte, die Überbleibsel jener „Burg des Glückes“, wo er, wie ein scheuer Dämon in seinem Zauberschlosse, Italien mit vollendeter Kunst regierte, und aus welcher er seine Günstlinge, sobald sie erkrankten, wegtragen ließ, damit niemals der Tod an diese Marmorpforten klopfe“ (CFM I 703, 29 – 35). Behrens lässt dagegen auf seinem „Zauberberg“ (fast) keinen Kranken fort, "bis dass der Tod ihn scheidet".
In der Novelle „Angela Borgia“ knetet der Herzog ein Geschütz aus Brot (CFM 879, 27 f.). Im „Zauberberg“ bewirft sich die Gesellschaft mit „Brotkügelchen“ (Zb 118, 4). Clawdia Chauchat dreht Brotkugeln (Zb 213, 15 ff.; 219, 29; 346, 20). (13)
Don Giulio stellt bei Gericht den Antrag, ihm ein Hofnarrenkleid mit einer Schellenkappe anfertigen zu lassen: „Denn es sei, so begründete er seine Bitte, der Narr, welcher von jeher in ihm gekauert, in die Tagesklarheit herausgebrochen, und diese seine intime Persönlichkeit wünsche den Sprung ins Nichts in gebührendem Gewande und mit Schellengeläute zu vollziehen“ (FCM I 854, 12 – 16).
In Meyers Aufsatz „Gottfried Kinkel in der Schweiz“ (CFM 634 – 639) wird ein „gewisser theatralischer Zug“ Kinkels erwähnt, der „den günstigen Eindruck beeinträchtigt“: „Aber diese Gebärde, dieses pathetische Reden war mit Kinkel verwachsen. Es war seine Natur selbst, durch Kanzel und Katheder ausgebildet. Diese Gebärde verließ ihn im unbedeutendsten Zwiegespräch und, wie mir gesagt wurde, selbst auf dem Sterbebette nicht: sie war ihm ein geistiges und körperliches Bedürfnis“ (CFM 637, 4 – 12). Lauro, einer der beiden Söhne Tous-les-deux‘, zeigt auf dem Sterbebett „ein so prahlerisch – dramatisches Gebaren, daß die Besucher, Hans Castorp wirklich nicht weniger als Joachim Ziemßen froh waren, als sich die Tür des Krankenzimmers wieder hinter ihnen schloß“ (Zb 469, 2 – 5). Sie enthalten sich eines Urteils über sein Gehabe (Zb 469, 26 f.).
Anmerkungen:
1. Conrad Ferdinand Meyer, Sämtliche Werke in zwei Bänden. Mit Anmerkungen von Helmut Koopmann. Artemis & Winkler 1996 (6. Aufl.). Abkürzung: CFM I, CFM II. 2. Die Zahlen in Klammern (Seite, Zeilenangabe) verweisen auf Thomas Manns Der Zauberberg, Bd. 5/1 (Textband) -2 (Kommentarband) – M. Neumann - der Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe, S.Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2002. Hervorhebungen durch Fettdruck vom Autor. Abkürzung: Zb Die Aufforderung „hüten Sie sich“ am Schlusse der Rede von Settembrini ist nicht nur allgemeine Warnung, sondern Castorp soll sich selbst hüten und sich nicht von Kirke hüten lassen. Die Floskel könnte durch Lucrezias „Giorgio, guardati“ in der Novelle „Jürg Jenatsch“ angeregt sein (CFM 368, 22 f.). 3. Vgl. Kommentarband, S. 158; Beitrag: Die „Geschichte von dem Sohn und Ehemann“ (Zb 302, 15 – 31). 4. Vgl. Beitrag: „Hans Castorp, in re Hans Brotsack“. 5. Weitere Stellen zu „Schelle“: Der florentinische Goldschmied „hatte auf allen Plätzen mit der Schelle verkünden lassen, er schließe heute nach dem Ave Maria“ (FCM I 212, 4 ff.). „Kappe mit silbernen Schellen“ (FCM I 217, 19); „läutende Schellenkappe“ (FCM I 248, 7 f.). Auch die Assoziation zum Sterbesakrament ist möglich: Der Name Gioccola heißt „Tröpfchen, weil er (sc. der Hofnarr) die letzten klebrigen Tropfen aus den geleerten Gläsern zusammenzunaschen pflegte“ (CFM I 174, 9 ff.). Neben den „Wein“ tritt das Hochzeitgebäck „Amarelle“ (Brot), das mit „amare“ (lieben) verwandt ist, also ein „Liebesmahl“ darstellt (CFM I 194, 10 – 13). 6. Weitere Stellen zu Hut: Zb 14, 29; 65, 4 f.; 66, 24 – 27; 67, 1 f.; 67, 26 (Federhut); 85, 15 (Kappe); 113, 20 f.; 146, 19 (barhäuptig); 356, 10 – 15; 486, 25 ff.; 639, 1 f.; zum Kastorhut: http://de.wikipedia.org/wiki/Kastorhut 7. Zur Janitscharenmusik vgl. Kommentarband, S. 153. 8. Vgl. Spuren im „Zauberberg“: Friedrich Huch, Peter Michel (1901); Beitrag G. Keller, Der grüne Heinrich: Hinweis auf die kleine Meret. 9. Wahrig, a. a. O., S. 654, s.v. „Hokuspokus“. 10. Eine Stichelei Thomas Manns gegen die Möglichkeit des Amüsements in Zürich? Bekannt ist in Wien das Bonmot, der Wiener Zentralfriedhof sei zwar nur halb so groß wie Zürich, aber es sei dort doppelt soviel los. 11. Schule ist ein Thema in dieser Novelle . Die Protagonisten sind Schulkameraden: Jürg Jenatsch, Heinrich Waser, Lorenz Fausch (CFM 565, 3 – 7; 367, 29.37). Zum Schulthema vgl. besonders die Novelle „Das Leiden eines Knaben“ (CFM I 253 – 299). 12. Vgl. Kommentarband, S. 397: „Stahlhelm und Felduniform der deutschen Wehrmacht im Ersten Weltkrieg“. 13. In der Novelle „Das Amulett“ knetet der (katholische) Fryburger aus Weizenbrot ein Männchen und erklärt dem Calvinisten Schadau, wie unsinnig die Prädestinationslehre sei (CFM 19, 31 – 20, 4).