Dr. Gräsler bringt Katharina in das Zimmer seiner verstorbenen Schwester: „Katharina blieb stumm, endlich schüttelte sie ernsthaft den Kopf. >> Willst du nicht?<< fragte Gräsler zärtlich. - >>Es ist doch nicht möglich<<, erwiderte sie leise. - >> Weshalb? Es ist sehr wohl möglich. << Und als hätte er nichts weiter als eine abergläubische Regung in ihr zu bekämpfen, erklärte er: >> Alles ist ganz neu, sogar die Tapeten. Früher sah es lange nicht so freundlich aus. <<“ (SchneC 230, 17 – 23). Dieses Motiv, der „Bezug des Zimmers einer Verstorbenen“ wird im „Zauberberg“ verwendet: Das Zimmer ist „gründlich ausgeräuchert“ (Zb 23, 16 f.). Castorp schreckt vom Schlafe hoch, „da er sich erinnerte, daß in diesem Bett vorgestern jemand gestorben sei. >> Es wird nicht das erstemal gewesen sein <<, sagte er zu sich, als könne ihm das zur Beruhigung dienen. >>Es ist eben ein Totenbett, ein gewöhnliches Totenbett. <<“ (Zb 32, 31 – 33, 29).
In diesem Zimmer starb eine „Amerikanerin“, die mit einem englischen Marineoffizier verlobt war (Zb 23, 6 – 9). Die Internationalität der Berghofgesellschaft wird bekanntlich im „Zauberbergs“ stark betont.
Bei Schnitzler spottet die jüngere Tochter einer Witwe über die Heilanstalt am Ort (SchneC 184, 14 – 26): Eine Dame in der Heilanstalt sei „keineswegs eine Amerikanerin“, wie es die Fremdenliste verzeichne, sondern eine Europäerin, die „daher gestern abend mit dem Offizier in Zivil“, der sie besuchte, nicht englisch, sondern Wienerisch gesprochen habe (SchneC 184, 19 – 26).
Dr. Gräsler überlegt sich den Kauf einer Heilanstalt im Badeort (SchneC 187,22 – 26).
Sabine zeigte sich „über die Verhältnisse der Heilanstalt gut unterrichtet und erklärte sie insbesondere für viel ertragsfähiger, als sie sich unter dem derzeitigen, alten und nachlässig gewordenen Direktor in der letzten Zeit erwiesen hätte. Auch sprach sie die Meinung aus, daß für jeden Arzt die Wirksamkeit an einer Heilanstalt schon darum sehr wünschenswert sein müßte, weil nur da die Bedingungen zu einer wirklich dauernden Beziehung zwischen Arzt und Kranken und damit die Gelegenheit zur Anwendung von verläßlichen, weil stets kontrollierbaren Heilmethoden gegeben seien“ (SchneC 178, 29 – 179, 4).Hier wird die „Dienstanweisung“ für die Führung des Sanatoriums Berghof vorweggenommen.
„Für unerläßlich hielt sie (sc. Sabine) übrigens die Anstellung einer Dame, einer wirklichenDame, wie sie hinzufügte, als oberste Hausverwalterin; denn offenbar wäre eine solche Oberaufsicht von gewissermaßen gesellschaftlichem Charakter, die der Anstalt im Laufe der letzten Jahre vor allem gefehlt habe“ (SchneC 189, 31 – 190, 1). Sabine weiter: „Ich würde an Ihrer Stelle sogar eine Reise nicht scheuen, um eine geeignete Person für diesen wichtigen Posten zu gewinnen“ (SchneC 190, 6 ff.). In einem Brief empfiehlt sich Sabine selbst als „Hausverwalterin“ (SchneC 195, 12). Diese Textstelle könnte der Ausgangspunkt für die Einführung der bedeutenden Romanfigur Adriatica von Mylendonk sein.
Der junge Karl Schleheim informiert Dr. Gräsler über seinen Vater: „ In der letzten Zeit, Herr Doktor, hat der Vater Schwindelanfälle, und gestern abend, wie er vom Sessel aufstehen wollte, ist er beinahe hingefallen und hat sich nur mühselig am Tischrand festgehalten. Und dann, wenn er sein Glas nimmt, um zu trinken, das merken wir schon lange, zittern ihm die Hände. << >> Hm. << Der Doktor sah von seiner Tasse auf. >>Ihr Herr Vater nimmt sein Glas wohl ziemlich oft in die Hand, und wahrscheinlich ist nicht immer Wasser im Glas -? << Der Junge sah zu Boden: >> Es kann freilich auch ein wenig damit zusammenhängen, meint Sabine (sc. Karls Schwester). Und dann raucht der Vater auch den ganzen Tag. <<“ (SchneC 169, 24 – 34).Dr. Gräsler überlegt sich, ob er wieder nach Lanzarote soll: „Oder zurück – zu Sabine? Zu dem Wesen mit der reinen Seele? Hm!“ (SchneC 220, 31 f.). „E.G.“ werden als Initialen von Emil Gräsler benützt (SchneC 245, 22).
Die Initialen von Namen bei Schnitzler (oben „M.G.“) und das „Hm“ regen Thomas Mann dazu an, „Hm“ als Initialen von „Heinrich Mann“ zu fassen: Castorp äußert sich gegenüber Joachim: „>>Daß das nur keine lasterhafte Anziehungskraft für dich bekommt<<, sagte Hans Castorp. >> Hm, hm.“(Zb 306, 30 f.). (9)
Im Schlafzimmer findet Dr. Gräsler seine Geliebte: „Da lag Katharina oder saß vielmehr aufrecht in seinem Bett und sah von einem dicken Buche auf, das sie auf der Decke in beiden Händen hielt. >> Du bist doch nicht böse <<, sagte sie einfach. Ihre braunen, leicht gelockten Haare rannen aufgelöst über ihre blassen Schultern. Wie schön sie war! Gräsler stand noch immer an der Tür, ohne sich zu regen. Er lächelte; denn das Buch, das auf der Decke ruhte, war der anatomische Atlas. >> Was hast du dir denn da ausgesucht? << fragte er, mit einiger Befangenheit nähertretend. >> Es ist auf deinem Schreibtisch gelegen. Hätt‘ ich nicht sollen? Verzeih! Aber sonst wär‘ ich vielleicht eingeschlafen, und da bin ich nicht wach zu kriegen. << Ihre Augen lächelten, ganz ohne Spott, - hingebungsvoll beinahe. Gräsler setzte sich zu ihr aufs Bett, zog sie an sich, küßte sie auf den Hals, und das schwere Buch klappte zu „ (SchneC 228, 26 – 229, 5).Im Gespräch mit Chauchat preist Castorp die Schönheit des menschlichen Körpers mit anatomischen Fachbegriffen (Zb 519, 14 – 30).
Casanovas Heimfahrt (1917) Casanova versucht „gegen seine eigne bessre Überzeugung Marcolina gegenüber die Kabbala als vollgültige und ernsthafte Wissenschaft zu verteidigen. Er sprach von der göttlichen Natur der Siebenzahl, die sich so schon in der Heiligen Schrift angedeutet fände, von der tiefsinnig – prophetischen Bedeutung der Zahlenpyramiden, die er selbst nach einem neuen System aufzubauen gelehrt hatte, und von dem häufigen Eintreffen seiner auf diesem System beruhenden Voraussagen“ (SchneC 292, 13 – 20). Die Siebenzahl findet sich häufig in den Erzählungen Schnitzlers. (10)
Casanova zeigt seine Hände: „Und diese Hände, Amalia! Sieh sie doch an! Finger wie Krallen“ (SchneC 289, 10). Bekanntlich wird der Name Clawdia auf engl. „claw“ (Kralle) zurückgeführt (11).
Auf der Veranda der Villa von Baronin Fortunata steht eine Dame mit „elfenbein – gelblichem Gesicht“ (SchneC 88, 2 f.; vgl. auch SchneC 245, 29.33). Frau Levi im „Zauberberg“ ist „elfenbeinfarben“ (12).
Anmerkungen:
1. Arthur Schnitzler, Leutnant Gustl, Erzählungen 1892 - 1907, 2. Aufl. 2004 (1961), S. Fischer Verlag Frankfurt am Main (Ausgewählte Werke in acht Bänden, hrsg. von Heinz Ludwig Arnold). Abkürzung: SchneL. Arthur Schnitzler,Casanovas Heimfahrt, Erzählungen 1909 – 1917, Aufl. 1999 (1961), S. Fischer Verlag Frankfurt am Main (Ausgewählte Werke in acht Bänden, hrsg. von Heinz Ludwig Arnold). Abkürzung: SchneC. 2. Die Zahlen in Klammern (Seite, Zeilenangabe) verweisen auf Thomas Manns Der Zauberberg, Bd. 5/1 (Textband) -2 (Kommentarband) – M. Neumann - der Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe, S.Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2002. Hervorhebungen durch Fettdruck vom Autor. Abkürzung: Zb. 3. Dieses Vorkommnis erzählt Castorp Settembrini (Zb 94, 14 – 22).Ein weiterer Versuch schlägt ebenfalls fehl (Zb 110, 5 – 16), aber später raucht er eine Maria Mancini zu Ende, egal wie sie schmeckt (Zb 121,15 ff.). Vgl. auch Beitrag Spuren im „Zauberberg“: Julius W. Grosse, Maria Mancini (1869). Castorps Zigarrenmarke nach „Maria Mancini“ heißt „Rütlischwur“ (Zb 1074, 12 f.). 4. „königlich“: Zb 833, 4; 838, 31; 839, 20; 840, 20; 850, 18; 851, 20 f.; 853, 23; 855, 27 f.; 866, 12; 866, 20; 876, 26; 879, 32; 880, 12; 944, 10). 5. Stellen zu Albin: Zb 121, 22 – 125, 26; 126, 26 – 127, 5; 129, 24; 130, 7 ff.; 141, 24; 170, 16 – 20; 171, 33 f.; 179, 21; 191, 25 ff.; 353, 6 f.; 363, 8; 413, 17 ff.; 495, 17 – 496, 4; 509, 28 f.; 537, 11 ff.; 633, 7 f.; 802, 20 – 23; 847, 27; 848, 22 f.; 848, 32 f.; 849, 16 - 23.; 862, 5 – 10; 862, 28 ff.; 863, 27 f; 1000, 27; 1002, 12 – 15; 1003, 3 – 8. 20 - 23; 1004, 29 ff.; 1008, 26 - 29; 1010, 6 – 9. 15; 1025, 11; 1063, 6 – 21. 6. Vgl.Kommentarband, S. 349 („Fünf-Minuten-Walzer“) und darüber hinaus verdeckt Zb 865, 7: „phantastisches Impromptu“ = Fantaisie-Impromptu Cis-moll, op.66. 7. Vgl. Beitrag „Dr. Edhin Krokowski“. 8. Andere Vorschläge: Kommentarband, S.133. 9. Vgl. Beitrag Spuren im „Zauberberg“: Heinrich Mann, Im Schlaraffenland (1900). 10. SchneL 127, 25; 128, 7 f.; 136, 27 f.; 137, 4; 156, 31; 165, 13; 186, 32; 221, 2; 225, 8; 235, 2 f.; 259, 10; 272, 18.21.26; 278, 6; 279, 16; 352, 11; 353, 24; 359, 15 f.; 364, 20; 407, 3; 447, 18; 501, 19; SchneC 34, 26; 85, 26; 102, 5; 109, 30; 211, 31 f.; 213, 2.5; 214, 30; 225, 14; 248, 33; 251, 30; 253, 30; 366, 2 f. 11. Vgl. Beitrag „Hans Castorps Freundin Clawdia Chauchat“. 12. Stellen zu Levi: Zb 78, 32 f.; 107, 17 f.; 170, 21; 192, 11 f.; 293, 29; 547, 13; 638, 30 f.; 952, 28; 1009, 17 f.; 1010, 11 ff.; Zb 1018, 5; 1022, 20 f.